Als David Ensikat elf Jahre alt war, kaufte er mit seinen Freunden fünf Luftballontröten. Drei davon funktionierten nicht. Die Kinder wollten die Tröten umtauschen, aber das Spielwarengeschäft hatte Mittagspause. Die Jungs machten einen Riesenlärm mit den Tröten. Da schob sich eine Hand schob aus der Tür und die Verkäuferin zog David ins Innere des Ladens.
DDR war eine Erziehungsdiktatur
Dort schrieb sie in sein Hausaufgabenheft: „David verhält sich unmöglich im Spielwarengeschäft.“ Die Mitteilung der Verkäuferin sollten Eltern und Schuldirektorin unterschreiben. Dieses Ereignis brachte Davids Vater, Peter Ensikat, dazu, im DDR-Satiremagazin ‚Eulenspiegel’ vorzuschlagen, jeder DDR-Bürger solle doch fortan ein Hausaufgabenheft bei sich führen. Hier könnten dann Verkäuferinnen eintragen, ob man sich unmöglich benommen habe. „Die DDR war eine Erziehungsdiktatur“, ein Land, in dem man „unfrei war und seine Meinung nicht sagen durfte“, „ein absurdes Land, in dem merkwürdige Dinge passierten“ – so das Urteil des 1968 in Ostberlin geborenen Journalisten David Ensikat, der am 23. 9. 09 im Goethe-Gymnasium aus seinem Buch ‚Kleines Land, große Mauer’ gelesen hat. Nicht nur gelesen hat er. Erzählt hat er vor allem vom Alltag der Menschen in der DDR, von den kleinen und großen Erstaunlichkeiten, von einer Diktatur mit sozialistischem Anspruch, von schlecht gelaunten Kellnern und schläfrigen Polit-Funktionären in breiten Sesseln. Aber erzählt hat er auch von Chris Gueffroy, der in der Nacht vom 5. auf den 6. Februar an der deutsch-deutschen Grenze in Berlin erschossen wurde und dessen Todesursache in den Todesanzeigen verschleiert wurde.
Minutenlang anhaltenden stürmischen Beifall
Das Publikum, ca. 120 Schülerinnen und Schüler vor allem aus den 9. und 10. Klassen, folgte David Ensikats Erzählungen nach einem langen Schultag interessiert, bei vielen Episoden gebannt. Und am Ende? Da gab es keinen „minutenlang anhaltenden stürmischen Beifall mit Hurra- und Hochrufen auf die Deutsche Demokratische Republik“, wie er laut SED-Zeitung ‚Neues Deutschland’ nach einer Rede Erich Honneckers ertönt war. Es gab lauten Beifall dafür, wie hier mit Witz und Ernst, wie lebendig hier ein Stück deutsche Geschichte erzählt worden war.
David Ensikat, Kleines Land, große Mauer. Für alle, die die DDR nur aus dem Geschichtsbuch kennen. München 2007.
(I. Adrian)
Als David Ensikat elf Jahre alt war, kaufte er mit seinen Freunden fünf Luftballontröten. Drei davon funktionierten nicht. Die Kinder wollten die Tröten umtauschen, aber das Spielwarengeschäft hatte Mittagspause. Die Jungs machten einen Riesenlärm mit den Tröten. Da schob sich eine Hand schob aus der Tür und die Verkäuferin zog David ins Innere des Ladens.
DDR war eine Erziehungsdiktatur
Dort schrieb sie in sein Hausaufgabenheft: „David verhält sich unmöglich im Spielwarengeschäft.“ Die Mitteilung der Verkäuferin sollten Eltern und Schuldirektorin unterschreiben. Dieses Ereignis brachte Davids Vater, Peter Ensikat, dazu, im DDR-Satiremagazin ‚Eulenspiegel’ vorzuschlagen, jeder DDR-Bürger solle doch fortan ein Hausaufgabenheft bei sich führen. Hier könnten dann Verkäuferinnen eintragen, ob man sich unmöglich benommen habe. „Die DDR war eine Erziehungsdiktatur“, ein Land, in dem man „unfrei war und seine Meinung nicht sagen durfte“, „ein absurdes Land, in dem merkwürdige Dinge passierten“ – so das Urteil des 1968 in Ostberlin geborenen Journalisten David Ensikat, der am 23. 9. 09 im Goethe-Gymnasium aus seinem Buch ‚Kleines Land, große Mauer’ gelesen hat. Nicht nur gelesen hat er. Erzählt hat er vor allem vom Alltag der Menschen in der DDR, von den kleinen und großen Erstaunlichkeiten, von einer Diktatur mit sozialistischem Anspruch, von schlecht gelaunten Kellnern und schläfrigen Polit-Funktionären in breiten Sesseln. Aber erzählt hat er auch von Chris Gueffroy, der in der Nacht vom 5. auf den 6. Februar an der deutsch-deutschen Grenze in Berlin erschossen wurde und dessen Todesursache in den Todesanzeigen verschleiert wurde.
Minutenlang anhaltenden stürmischen Beifall
Das Publikum, ca. 120 Schülerinnen und Schüler vor allem aus den 9. und 10. Klassen, folgte David Ensikats Erzählungen nach einem langen Schultag interessiert, bei vielen Episoden gebannt. Und am Ende? Da gab es keinen „minutenlang anhaltenden stürmischen Beifall mit Hurra- und Hochrufen auf die Deutsche Demokratische Republik“, wie er laut SED-Zeitung ‚Neues Deutschland’ nach einer Rede Erich Honneckers ertönt war. Es gab lauten Beifall dafür, wie hier mit Witz und Ernst, wie lebendig hier ein Stück deutsche Geschichte erzählt worden war.
David Ensikat, Kleines Land, große Mauer. Für alle, die die DDR nur aus dem Geschichtsbuch kennen. München 2007.
(I. Adrian)